Konstruktion: Genitivus_qualitatis:NP.gen

Der nächste Brief war privat. Die eckige Handschrift verriet
{
KE:Entitäteine Frau
KE:Eigenschafthohen Alters
}
, die einer gewissen Hertha nach Wien schrieb . Hertha solle eifrig, aber nicht zu eifrig studieren und nicht das Leben an sich vorbeiziehen lassen.

Kurzname der Konstruktion:

Genitivus:NP.gen-4

Diese Konstruktion ist Teil der Konstruktionsfamilie Genitivus:NP NP-gen

Die Konstruktion wird in der Literatur bzw. in Grammatiken auch thematisiert unter:

Konstruktionstyp:

Syntaktische Konstruktion

Struktur/Form der Konstruktion:

NP_NP-gen

Die Genitivus_qualitatis:NP.gen-Konstruktion gehört zu der Formfamilie der Genitivus-Konstruktionen (Genitivus:NP NP-gen) und beruht auf einer ist-Relation zwischen einer KE:EntitätEntität und einer KE:EigenschaftEigenschaft (vgl. Lindauer 1995: 196). Es handelt sich dabei um eine „semantische Interpretation eines KE:EigenschaftGenitivattributs als KE:EigenschaftEigenschaft bzw. KE:EigenschaftQualität des im KE:EntitätBezugsnomen Genannten.“ (Simon-Horváth 2018: genitivus qualitatis)

Die Konstruktion setzt sich aus den beiden internen Kern-Konstruktionselementen (Kern-KE) KE:EntitätEntität und KE:EigenschaftEigenschaft zusammen.

Weiterführende Informationen

In dieser Konstruktion realisierte „ KE:EigenschaftGenitivattribute sind selten und treten vorrangig in der gehobenen Sprache auf. Sie enthalten typischerweise ein attributives Adj. und können prädikativ verwendet werden“ (Simon-Horváth 2018: genitivus qualitatis).

Seit den 1960er Jahren dominierte Fernand Braudels Konzept der longue durée und die quantitative Auswertung serieller Quellen. Kollektive Einstellungen galten als
{
KE:EntitätPhänomene
KE:Eigenschaftlanger Dauer
}
, angesiedelt unterhalb der schnelllebigeren Ebene politischer Ereignisse und der mittleren Ebene sozio-ökonomischer Strukturen und entsprechend langsamer dem historischen Wandel unterworfen . Michelle Vovelle und Pierre Chaunu, um nur zwei zu nennen, legten bedeutende Arbeiten über die Einstellungen zu Tod und Sterben in der Frühen Neuzeit und die darin sichtbar werdende Dechristianisierung vor, gestützt etwa auf die serielle Auswertung von Testamenten.

Während sich z.B. die Genitivus_obiectivus:NP.gen-Konstruktion durch ein Possessivum oder eine von-Phrase ersetzen lässt, lässt sich die Genitivus_qualitatis:NP.gen-Konstruktion nur durch von-Phrasen ersetzen (Phänomene langer Dauer -> Phänomene von langer Dauer). (vgl. Lindauer 1995: 196f.)

Hinzuzufügen ist, dass die Familie der Genitivkonstruktionen dazu neigt, überspezifiziert zu werden. Grundsätzlich signalisiert sie eine Bezugnahme des Genitivattributs auf dessen Bezugsnomen (vgl. Simon-Horváth 2018: genitivus qualitatis).


Morphosyntaktische Komplexität & Kategorie

PhraseNP
Schematizität Idiomatizität Beschränkungen
0.0 teilidiomatisch ja (formseitig + semantisch/pragmatisch)

Konstruktionselemente (KE) Kern Konstruktionselemente mit lexikalisch festen Instanzen (KE-lex)

Konstruktionselemente (KE) Kern Weitere Konstruktionselemente (KE)

Entität

Das interne Kern-KE KE:EntitätEntität wird als NP realisiert und stellt diejenige KE:EntitätEntität dar, der die KE:EigenschaftEigenschaft zugeschrieben wird.

Beispiel:

Seit den 1960er Jahren dominierte Fernand Braudels Konzept der longue durée und die quantitative Auswertung serieller Quellen. Kollektive Einstellungen galten als
{
KE:EntitätPhänomene
KE:Eigenschaftlanger Dauer
}
, angesiedelt unterhalb der schnelllebigeren Ebene politischer Ereignisse und der mittleren Ebene sozio-ökonomischer Strukturen und entsprechend langsamer dem historischen Wandel unterworfen . Michelle Vovelle und Pierre Chaunu, um nur zwei zu nennen, legten bedeutende Arbeiten über die Einstellungen zu Tod und Sterben in der Frühen Neuzeit und die darin sichtbar werdende Dechristianisierung vor, gestützt etwa auf die serielle Auswertung von Testamenten.
Eigenschaft

Das interne Kern-KE KE:EigenschaftEigenschaft wird als Genitivattribut realisiert und schreibt dem KE:EntitätBezugsnomen die in ihr denotierte KE:EigenschaftEigenschaft zu.

„Das Kernsubstantiv des KE:EigenschaftAttributs ist häufig ein Abstraktum, das ohne Kopf stehen kann [...]. Im KE:EigenschaftAttribut braucht es [...] hier einen Kopf, weil es sonst den Kasus allein tragen müsste [...] oder als Gen unmarkiert wäre“ (Eisenberg 2020: 274).

Beispiel:

Bis man doch weiterliest, denn die Schilderung einer Mahlzeit des Tornedalers Esaias mit nördlich des Polarkreises geernteten Frühkartoffeln, dazu frisch gefangene Äschen, führt zu einem anrührenden Subtext dankbarer Liebe zu einer schwierigen Heimat, zur Erzählung von einer Identitätsspaltung und -schichtung, hervorgerufen durch die Differenzen sprachlicher Zugehörigkeit und geschichtlicher Entwicklung. In
{
KE:EntitätAbschweifungen
KE:Eigenschaftschönster Güte
}
wird man auf falsche Fährten hinsichtlich der Aufklärung des Lachsgabelmordes gelockt , erfährt aber dafür alles über den teilkriminellen russisch-finnisch-schwedisch-norwegischen Grenzverkehr , über gekochte Elchzungen und den Geruch der Polizistin Therese aus dem fernen Stockholm . Mikael Niemi:
Kern-KE-Sets
EntitätEigenschaft

Konstruktionselemente (KE) Nicht-Kern

Konstruktionselemente (KE) Korrelierende Elemente (KorE) exemplarisch

Eisenberg, Peter / Schöneich, Rolf (2020): Grundriss der deutschen Grammatik: Der Satz 5., aktualisierte und überarbeitete Auflage, Stuttgart: J. B. Metzler.
Simon-Horváth, Katalin (2018): Genitivus qualitatis, Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (WSK) Online. Berlin/Boston: De Gruyter. Online unter https://www.degruyter.com/database/WSK/entry/wsk_id_wsk_artikel_artikel_21392/html [zugegriffen: 13 Dezember 2023].
Lindauer, Thomas (1995): Genitivattribute. Eine morphosyntaktische Untersuchung zum deutschen DP/NP-System, Tübingen: Niemeyer.